Eine Multi Site Zertifizierung ist eine Mehrfachstandort-Zertifizierung, d.h. mehrere Standorte eines Unternehmens oder eines Verbunds von Einzelunternehmen werden zertifiziert. Dabei kann der Aufwand der externen Audits begrenzt werden, indem Sie entscheiden, dass nicht jedes Jahr jeder Standort auditiert wird.
Dies hört sich im ersten Schritt gut an, da sich so die qualitätsbezogenen Kosten reduzieren, ebenso wie der Aufwand einer Zertifizierung. Doch wie viele andere Entscheidungen birgt auch die Entscheidung für eine Multi Site Zertifizierung nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Wir zeigen Ihnen im Folgenden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Stolperfallen ggf. zu beachten sind.
Wann ist eine Multi Site Zertifizierung möglich?
Der Begriff „Multi Site“ bezeichnet Organisationsformen mit mehreren Standorten oder einen Verbund von einzelnen rechtlich eigenständigen Organisationen. Voraussetzung für die gemeinsame Auditierung ist, dass die Standorte bzw. eigenständigen Organisationseinheiten eine rechtliche oder vertragliche Verbindung mit einer Zentrale haben und einem gemeinsamen Managementsystem unterliegen. Beispiele für Organisationen mit mehreren Standorten sind dabei:
- Unternehmen mit mehreren gleichartigen Zweigstellen,
- Dienstleistungsfirmen mit mehreren Standorten, die eine ähnliche Dienstleistung anbieten,
- Organisationen, die auf Basis eines Lizenzvertrages arbeiten (Franchising),
- Herstellerfirmen mit einem Vertriebsnetzwerk.
Dabei muss die Zentrale dieses gemeinsame Managementsystem betreiben sowie überwachen. Dies bedeutet, dass die Zentrale das Recht besitzen muss, alle Standorte intern zu auditieren und ggf. die Umsetzung von Korrekturmaßnahmen einzufordern, wenn Abweichungen am Managementsystem festgestellt werden.
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Welche Vorteile bietet eine Multi Site Zertifizierung Ihres Managementsystems?
Die Vorteile einer solchen Zertifizierung liegen in einer teilweise deutlichen Reduzierung des Aufwands für die externen Zertifizierungsaudits aufgrund geringerer Vorbereitungszeiten, Reisezeiten sowie direkten Zertifizierungskosten vor Ort. Erreicht wird dies dabei durch die Anwendung eines Stichprobenverfahrens, das in dem Dokument “IAF- Verbindliches Dokument für die Zertifizierung von Organisationen mit mehreren Standorten auf der Grundlage von stichprobenartigen Überprüfungen” festgelegt ist (IAF = International Accreditation Forum). Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) übertrug diese Vorgaben zur Information sowie Arbeitserleichterung in deutscher Sprache in das Dokument 71 SD 6 013. Nach diesen Vorgaben müssen schließlich alle akkreditierten Zertifizierungsstellen bei einer Multi Site Zertifizierung vorgehen.
Wie funktioniert die Stichprobenrechnung für die Auditierung einer Multi Site Zertifizierung?
Das IAF-Dokument bzw. die Übersetzung der DAkkS GmbH macht nun klare Vorgaben zur Anzahl der zu auditierenden Standorte bei einer Multi Site Zertifizierung, die per Stichprobenberechnung festzulegen sind:
Erstzertifizierungsaudit
Die Größe der Stichprobe wird durch die auf die höhere Zahl gerundete Quadratwurzel der Anzahl der abgelegenen Standorte ermittelt: y = √x
Z.B.: Bei einer Organisation mit einer Zentrale und 25 Standorten ergibt sich eine Stichprobengröße von 5 Standorten. Die Zentrale wird immer zusätzlich auditiert.
Überwachungsaudit
Die Größe der Stichprobe wird dabei durch die auf die höhere Zahl gerundete Quadratwurzel der Anzahl der abgelegenen Standorte, multipliziert mit dem Faktor von 0,6 ermittelt: y = 0,6* √x
Z.B.: Für die oben genannte Organisation ergibt sich eine Stichprobengröße von 3 Standorten. Die Zentrale ist dabei im Rahmen der Überwachung mindestens jährlich zu auditieren.
Re-Zertifizierungsaudit
Die Stichprobengröße soll wie im Erstzertifizierungsaudits ermittelt werden. Hat sich das Managementsystem über einen Zeitraum von drei Jahren dabei als effektiv erwiesen, kann die Stichprobengröße mit dem Faktor 0,8 verringert werden: y= 0,8* √x
Die Zertifizierungsstelle muss jedoch zusätzlich eine Risikoanalyse durchführen, um zu erkennen, ob ggf. eine Erhöhung der Stichproben erforderlich ist. Faktoren für eine Erhöhung wären z.B. große Standorte mit vielen Mitarbeitern, hohe Komplexität bzw. Risiken der Tätigkeiten, Abweichungen, Beschwerden von Kunden uvm.
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Wie wird die Standort-Auswahl für die Stichproben vorgenommen?
Die Festlegung der Stichproben der zu auditierenden Standorte bei einer Multi Site Zertifizierung sollte eine repräsentative Auswahl an unterschiedlichen Standorten ergeben. Um dies sicherzustellen, sollte die Auswahl anhand selektiver Faktoren erfolgen und zudem das Element des Zufalls einschließen:
Selektive Auswahlkriterien
- Möglichst große Unterschiede zwischen den ausgewählten Standorten über den Gültigkeitszeitraum des Zertifikats.
- Ergebnisse interner Audits, Managementbewertungen (Reifegrad) sowie früherer Zertifizierungsaudits, Änderungen.
- Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen aufgrund Beschwerden oder Ähnlichem.
- Komplexität der Prozesse bzw. Arbeitsverfahren des Standorts.
- Geografische Lage des Standorts sowie Größe.
- Kultur, Sprache sowie gesetzliche Vorgaben.
Um das Element des Zufalls zu realisieren, müssen dabei wenigstens 25% der Stichproben im Zufallsverfahren ausgewählt werden.
Welche Bedingungen müssen bei einer Multi Site Zertifizierung erfüllt werden?
Vorgabe | Erläuterung |
---|---|
Gleichartige oder verknüpfte Prozesse | An allen Standorten müssen die Prozesse im Wesentlichen gleichartig, nach den gleichen Methoden und Verfahren durchgeführt werden oder in der Wertschöpfungskette deutlich miteinander verknüpft sein (z. B. Fertigung und Montage der gleichen Produkte). |
Zentrale Verwaltung | Eine zentrale Verwaltung bedeutet eine zentrale Planung, eine Managementbewertung für alle Standorte, eine zentrale Verwaltungsfunktion und ein übergreifendes Auditprogramm sowie ein gemeinsames Kennzahlensystem zwischen Zentrale und Standorten. |
Gemeinsames QM-System | Alle Standorte sollten mit einem gemeinsamen QM-System arbeiten. Geführt wird das QM-System von der Zentrale. |
Rechtliche Verbundenheit | Rechtlich und vertraglich sollten die Standorte und die Zentrale miteinander verbunden sein, so dass die Zentrale das Recht besitzt, die Umsetzung von Maßnahmen von den Standorten zu fordern. |
Konformität des QM-Systems | Für eine Zertifizierung muss das QM-System der maßgeblichen Managementsystem-Norm entsprechen. Dies gilt sowohl für die Zentrale als auch für die Standorte. |
Zentrale Datensammlung und-analyse | Die Organisation muss Einfluss nehmen können auf die Systemdokumentation, die Managementbewertung, Handhabung von Beschwerden, Auditplanung, Bewertung der Auditergebnisse usw. |
Zentrale Korrekturmaßnahmen | Korrekturmaßnahmen sollten über die Zentrale gehandhabt werden, damit die relevanten Korrektur- und Kontrollmaßnahmen auf alle Standorte angewendet werden können. |
Grenzen der Praxis einer Managementsystem Zertifizierung an mehreren Standorten
Neben den in der Tabelle genannten Bedingungen, die für die Multi Site Zertifizierung zu erfüllen sind, können zudem noch weitere Aspekte gegen eine Multi Site Zertifizierung sprechen. So könnte zum Beispiel die Vorgabe-Norm (z.B. Fahrzeuge sowie Luft- und Raumfahrt) spezielle Regeln enthalten, die dieser Praxis widersprechen. Die Anforderungen dieser Normen müssen dann Vorrang haben. Weiterhin könnten der Multi Site Zertifizierung nationale Gesetze entgegenstehen (z.B. Apothekengesetzgebung).
Einen Wermutstropfen gibt es noch: Erfüllt ein Standort die Anforderungen der Norm nicht, verlieren alle das Zertifikat.
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